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Krankheitsmodelle

 

 

Um das Leiden eines Menschen zu bestimmen kann mit unterschiedlichen Modellen gearbeitet werden.

Sie helfen die komplexe Wirklichkeit zu vereinfachen und einen „Roten Faden“  in der Untersuchung beizubehalten.

Ich möchte folgende Modelle vorstellen:

 

Das medizinische Modell

Es ist das derzeitige beherrschende Modell in der Schulmedizin.

Es beruht auf folgenden Annahmen:

Jede Erkrankung besitzt eine spezifische Ursache.

Jede Krankheit zeichnet sich durch eine bestimmte Grundschädigung aus. Diese Schädigung ist entweder in der Zelle lokalisiert, im Gewebe oder besteht in der Fehlsteuerung von mechanischen oder biomechanischen Abläufen.

Krankheiten haben typische äußere Zeichen (Symptome) und können von daher durch wissenschaftlich geschultes Personal erkannt werden.

Krankheiten haben beschreibbare und vorhersehbare Verläufe, sie verschlimmern sich ohne medizinische Intervention.

Dieses Krankheitsmodell ist überwiegend geprägt von der "Keimtheorie“ und der "Zellulärpathologie“ des 19. Jahrhunderts. Aus diesem Grund lassen sich Infektionskrankheiten am besten im Rahmen des medizinischen Krankheitsmodells thematisieren. Doch die Anwendbarkeit auf unsere heutigen Massenkrankheiten (Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, psychische Störungen) ist jedoch stark begrenzt.

Es sollen folgend 3 Kritikpunkte näher besprochen werden:

Das medizinische Krankheitsmodell ist einseitig biologisch orientiert, es kann deshalb nur einen Teil der Krankheitsursachen erfassen. So gibt es starke Defizite bei der schematischen Übertragung des medizinischen Krankheitsmodelles auf psychische Störungen oder idiopathisch bedingte Krankheiten. Hier konnte das Modell nur Teilursachen aufdecken oder versagt völlig.

Das medizinische Krankheitsmodell ist für die Bewältigung von Krankheiten uneffektiv.
Diese insbesondere von McKeown (1982) aufgestellte These bezieht sich auf die Wirksamkeit der Medizin bei der Bekämpfung von Masseninfektionskrankheiten. McKeown konnte nachweisen, dass die bedeutendsten Einflüsse zur Gesundheitsverbesserung in dem letzten Jahrhundert primär in einer Veränderung der Umwelt, Ernährung und des Verhaltens waren und dass der Beitrag Individuen bezogener Maßnahmen demgegenüber nur von untergeordneter Bedeutung ist. So gab er als hauptsächlichen Grund für den Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit die Verbesserung der Arbeits-, Ernährungs- und Wohnbedingungen an. Er fand heraus, dass ein Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit schon lange vor der Entdeckung ihres Erregers im Jahre 1880 erfolgte.

Die Herausforderung der Medizin lag darin die Sterblichkeitsrate so schnell wie möglich drastisch herabzusetzen. Dabei war die Medizin ungeheuer erfolgreich. Es wäre genauso falsch diese Errungenschaften zu unterschätzen, wie die Tatsache zu übersehen, dass ihnen eine deutliche Verbesserung der Bedingungen vorausging.

Das medizinische Modell stabilisiert die Dominanz der Ärzte im Gesundheitswesen und führt zur Medikalisierung der Gesellschaft.
Diese Kritik wird insbesondere von Illich vertreten. Sie beinhaltet unteranderem die „Enteignung der Gesundheit“ durch medizinische Experten und die Entstehung von neuen Krankheiten durch die Medizin selbst. Anstatt unsere alltäglichen Probleme und Beschwerden selbst zu lösen haben wir uns von den Ärzten durch Medikamente, Psychotherapie und dem Gesundheitssystem abhängig gemacht. Wovon Ärzte bis heute profitieren, da das medizinische Modell die Ärzte als die eigentlichen Experten für Gesundheit und Krankheiten rechtfertigt. Aus diesem Grund haben es andere Gesundheitsberufe schwer, im Gesundheitswesen entsprechend Fuß zu fassen.

 

Das psychosoziale/psychosomatische Modell

In diesem Modell entsteht ein Gesundheitsproblem aus einer gestörten Interaktion zwischen der Person und der unmittelbaren Umgebung. Man versucht die Personen als ein Ganzes zu sehen, Körper und Geist beeinflussen sich gegeneinander. Die Person wird als Mittelpunkt in die Untersuchung eingebracht. Die Kommunikation zwischen Person und Therapeut wird zum Mittel der Wahl. Es gibt keine standardisierten Verfahrensweisen höchstens Richtlinien für die Diagnostik und Therapie.

Denn auch eine Erkrankung in Form eines psychischen Leidens kann sich auf somatischer Ebene äußern, oder die Belastbarkeit der jeweiligen Person gegenüber ihrer Umgebung herabsetzen. So hat sich immer wieder gezeigt, dass aus länger andauernden psychischen Stresssituationen oder psychisch bedingten Fehlhaltungen auch eine echte Wirbelsäulenerkrankung manifestieren kann. Auch wenn sich die Psychosomatik primär mit so genannten psychosomatischen Erkrankungen befasst (wie z. B. Magengeschwüre, Dickdarmgeschwüre, Bluthochdruck, Asthma), ist ihre Sichtweise prinzipiell auf alle Erkrankungen übertragbar. Bei rein psychosomatischen Erkrankungen zeigen sich oft die zugehörigen Muskeln der Wirbelsäule als Erfolgsorgan. Jedoch ist die Überbeurteilung dieses Faktors genauso falsch wie das völlige Missachten.

Eine depressive Verstimmung begleitet von einer jahrelangen Wirbelsäulenerkrankung, sollte als sekundär reaktive Depression auf die Therapieresistenten Schmerzustände angesehen werden. Allerdings wenn eine Blockierung und ein psychogener Faktor längere Zeit nebeneinander bestehen, so sollte von beiden Seiten therapiert werden. Entweder das Wirbelsäulensyndrom entstand primär aus der psychogenen Erkrankung oder umgekehrt.

 

Das Stress-Modell

Das Stress-Modell stammt aus der Psychosomatik und soll hier näher beschrieben werden, da es für das Verständnis des noch zu beschreibenden Stress-Coping-Modells von Bedeutung ist. In dem Stress-Modell gibt es eine enge Verknüpfung zwischen psychologischen und physiologischen Abläufen im Organismus. Die Entwicklung des Stressmodells geht im wesentlichen zurück auf die Arbeiten von Selye, Cannon, Wolff, Pawlov, Sokolov etc.. Selye (1953) entdeckte eine immer gleiche Reaktion des Organismus auf unterschiedlich äußere belastende Einwirkungen (Stressoren wie Hitze, Kälte, Schock etc.).

Die Reaktionen des Organismus (Stressreaktionen) teilte er wie folgt ein:

  • Alarmstadium
  • Abwehrreaktion
  • Erschöpfungsstadium

Dabei ließen sich im Einzelnen die in Abb. skizzierten Abläufen im Organismus entdecken.

Die erhöhte Ausschüttung von Katecholaminen (Adrenalin und Noradrenalin) wirkt unter anderem auf das Kreislaufsystem und erschließt somit wissenschaftlich ableitbare Möglichkeiten der Analyse von Ursachen von Kreislauferkrankungen (insbesondere Herzinfarkt) aus psychosozialen Stressoren. Über den Zusammenhang des Katecholaminstoffwechsels mit dem Serotoninstoffwechsel der eine Bedeutung bei der Pathogenese von Depressionen haben soll, werden auch hier psychosoziale Erklärungen möglich. Darüber hinaus eröffnet die Bedeutung der erhöhten Corticoid-Ausschüttung für die Hemmung des körperlichen Abwehrsystems ein Einverständnis für die psychosoziale Entstehung von Infektionen, so genannten Autoaggressionskrankheiten bis hin zum Krebsgeschehen. Dieses Modell lässt sich mit ganz unterschiedlichen Stressoren verknüpfen. Die Faszination die vom Stresskonzept ausgeht ist verständlich, liefert es doch zum ersten Mal ein Erklärungsmodell von Krankheit, dass Belastungsfaktoren außerhalb des Körpers messbar mit Reaktionsabläufen innerhalb des Körpers auf eine Art verknüpft, die hohen wissenschaftlichen Standards Rechnung trägt.

 

Das Stress-Coping-Modell


Rudow (1994) unterscheidet zwischen objektiven Belastungsfaktoren (Personen unabhängig) und subjektiver Belastung (kognitiv und emotional), die eine Reaktion (Wahrnehmen, Bewerten, Verarbeiten) auf die objektiven Belastungsfaktoren ist. Darüber hinaus beziehen wir uns auf das transaktionale Stress-Coping-Modell von Lazarus und Folkman (1984). Es beantwortet die Frage, warum manche Menschen Belastungen bewältigen, andere jedoch nicht. Die Antwort liegt in dem Namen selbst von coping aus dem engl.= Bewältigen. Deshalb sprechen wir auch von einem Stress-Coping-Modell und heben damit die Bedeutung von unterschiedlichen Bewältigungsmöglichkeiten der Individuen im Umgang mit Belastungen als gleichberechtigten Mechanismus in der Krankheitsentstehung bzw. –vermeidung hervor.
Das von Lazarus konzipierte Modell geht davon aus, dass die Bewältigung einer Situation oder eines Ereignisses von dessen kognitiver Bewertung und der Bewertung der dazu vorgefundenen Bewältigungsmöglichkeiten abhängt. Dem Menschen wird hier eine aktive, gestaltende Rolle zugedacht.
Wenn Menschen ein gegebenes Ereignis als außergewöhnlich oder ihre Ressourcen als unzureichend einschätzen, kann die Belastung sie physisch oder psychisch überwältigen. Sie empfinden Dis-Stress und bewerten die Situation als Überforderung. Wenn sie dagegen glauben, über effektive Bewältigungsmöglichkeiten zu verfügen, können sie der Bedrohung wirksam begegnen. Sie empfinden Eu-Stress und bewerten die Situation als Herausforderung.
Unter Ressourcen versteht Antonovsky (1987) Einstellungen, Ansprüche und Erwartungen gegenüber der Arbeit, Erholungsfähigkeit und Bewältigungskompetenzen. Es sind Verhaltens- und Erlebensmerkmale, die nach Schaarschmidt über das Instrument AVEM (Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster) erfasst werden können.
Lazarus et al. haben weiterhin herausgefunden, dass manche Menschen eher zu problem- und andere eher zu emotionsorientierten Bewältigungsstrategien neigen. Erstere setzen verhaltensbezogene Problemlösestrategien ein. Sie suchen z. B. mehrere Lösungen, sammeln Informationen oder erstellen einen Aktionsplan. Letztere bevorzugen die Suche nach emotionaler Unterstützung, neigen zu Distanzierung, Vermeidung und Selbstvorwürfen.
Untersuchungen an älteren Menschen haben ergeben, dass die problemorientierte Strategie häufiger die erfolgreichere ist. Bei andauernden, hohen, unveränderbaren Belastungen ist jedoch die emotionsorientierte Strategie die auch Verleugnung mit einschließt die gesundheitsförderlichere. Das Modell verknüpft auf idealer Weise das organisch-somatische Geschehen mit sozialstrukturellen Bedingungen der Betroffenen über ihr psychosoziales Erleben (vgl. Badura, 1981).

 

Das biopsychosoziale Modell

Das biopsychosoziale Modell versucht zum einen das biomedizinische Modell und zum anderen das psychosoziale Denkmodell zu vereinen. Dieses ermöglicht es unteranderem der psychisch geschwächten Person und dem Leiden als Symptom mehr Gewicht zu verleihen. Es wird versucht die Person als eine Einheit zwischen Körper und Geist in Interaktion mit seiner Umwelt zu betrachten. Hierbei sollte beachtet werden, dass jeweils beide Modelle die gleich hohe Gewichtung in einer Untersuchung bekommen, da die Gefahr besteht jeweils ein Modell bevorzugt zu behandeln. Dieses sollte jeweils selbstkritisch beachtet werden.

Im biopsychosozialen Modell wird das Leiden in Bezug auf Belastung und Belastbarkeit gewertet. Dieses bezieht sich nicht nur auf Organe oder Gewebestrukturen, sondern bezieht sich auch auf die jeweilige Person. Man spricht daher von dem „Mehrdimensionalen Belastungs- und Belastbarkeitsmodell (MDBB)“. Es entsteht ein ganzheitliches Menschenbild, was besagt das sich Körper und Geist gegenseitig beeinflussen.

Eine Folgerung daraus ist, dass durch eine Kommunikationsstörung auf einer dieser Ebenen ein Gesundheitsproblem entstehen kann.

Das letztere Krankheitsmodell sollte bevorzugt werden, um alle Komponenten psychisch wie auch körperlich oder organisch in die Untersuchung mit einzubringen.

 

 

 

 
           

 

 

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